Interview mit Samuel Tschepe zum neuen Workshop "KI & Design Thinking - Die kreative Allianz"
Künstliche Intelligenz und menschliche Kreativität kommen sich in der heutigen Welt immer näher. Daraus ergeben sich sowohl spannende Möglichkeiten als auch neue Herausforderungen. Mit unserem neuen Workshop-Format „KI & Design Thinking – Die Kreative Allianz“ bieten wir die Möglichkeit tiefer in diese Schnittmenge einzutauchen und zu erkunden, wie KI und Design Thinking miteinander arbeiten und Innovationsarbeit aufs nächste Level heben können. Wir haben dazu unseren Workshop-Leiter und Design-Thinking-Experte Samuel Tschepe interviewt.
Du hast seit etwa elf Jahren in unterschiedlichen Rollen mit Design Thinking am HPI zu tun. Wie kommt da das Thema Künstliche Intelligenz ins Spiel und was fasziniert dich persönlich am Zusammenspiel dieser beiden Themen?
Samuel Tschepe: Das Zusammenspiel begeistert mich sehr, beide Bereiche ergänzen sich in einer wirklich erstaunlichen Weise. Während Design Thinking seine Kraft aus Empathie und der tief verwurzelten menschlichen Kreativität zieht, kommt die KI ins Spiel und bringt eine unvergleichliche Präzision, Effizienz und eine ganz neue Bandbreite an Perspektiven mit sich. Kombiniert eröffnet sich ein enormes Potenzial, um bestehende Barrieren und Grenzen in der Innovationsarbeit zu überwinden.
Was genau heißt das? Hast du ein Beispiel?
Ein besonders prägnanter Aspekt ist die Erweiterung unserer menschlichen Kapazitäten durch KI. Sowohl auf individueller als auch auf organisatorischer Ebene stoßen wir im Design Thinking regelmäßig an die Grenzen dessen, was wir erreichen können. Ich zum Beispiel habe Schwierigkeiten, fortgeschrittene Prototypen zu entwickeln, da meine traditionellen „Design“-Fähigkeiten recht grundlegend sind. An dieser Stelle kommen KI-Tools wie Uizard, Midjourney/Ideogram oder Canva ins Spiel. Mit ihrer Hilfe kann ich aus Textvorgaben oder simplen Skizzen beeindruckende Wireframes und Grafiken erstellen – und das in atemberaubender Geschwindigkeit.
In Organisationen zeigt sich ein ähnliches Muster: Oft fehlen spezialisierte Kompetenzen im Team oder generell in der Organisation typische Ressourcen wie Zeit und Geld, um eine Idee zu vertiefen. Dies führt dazu, dass man beispielsweise auf externe Unterstützung zurückgreifen muss. Das kann zu Verzögerungen führen, Übergaben können problematisch werden, das Projekt verliert an Fahrt und es kann zu Enttäuschungen innerhalb des Teams kommen. In vielen Fällen riskiert man, dass das Projekt strauchelt, bevor es überhaupt richtig beginnt. Wenn man stattdessen in der Lage ist, relativ einfach und schnell mit Ideen so umfassend wie möglich zu experimentieren, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit ihrer Umsetzung.
Ein interessanter Aspekt, den du ansprichst. Innovationsprojekte sind in der Tat oft von Unsicherheiten geprägt. Wie siehst du hier die Rolle der KI?
Mit KI haben wir sozusagen einen flexiblen, vielseitigen und stets verfügbaren Sparrings-Partner an unserer Seite. Diese „Allianz“ ermöglicht uns, weiter, tiefer und umfassender zu denken und zu handeln. Wir können unsere Perspektiven erweitern, KI kann unser divergentes Denken unterstützen, einen „Wissenspool“ aufbauen. Oder uns aber auch gezielt herausfordern, etwa, um uns möglicher Voreingenommenheiten (Biases) bewusst zu werden und wichtige Diskussionen im Team anzuregen. Und, speziell in Bezug auf die Frage, können wir mit KI potenzielle Zukunftsszenarien kreieren. Sie ermöglicht es uns, verschiedene Szenarien durchzuspielen und die Auswirkungen von Entscheidungen zu simulieren. In Partnerschaft mit KI können wir also fundiertere und strategisch breiter durchdachte Entscheidungen treffen, um Projekte erfolgreicher zu gestalten.
Siehst du im Kontext von KI und Design Thinking auch spezifische Herausforderungen?
Auf jeden Fall. Ähnlich wie bei der immer stärker werdenden Verschiebung zur virtuellen Zusammenarbeit, müssen wir sorgfältig abwägen, wann und wo Technologie tatsächlichen Mehrwert bietet. Sie darf nicht nur um ihrer selbst willen eingesetzt werden. Mit Blick auf die KI sehe ich hier hauptsächlich zwei Herausforderungen: Erstens, Informationsüberflutung: Die von KI bereitgestellte Informationsfülle kann uns leicht überfordern. Unsere menschliche Kapazität zur Verarbeitung von Daten hat Grenzen, besonders wenn diese in rasanter Geschwindigkeit und in großen Mengen auf uns zukommen. Es besteht die Gefahr, dass wir wertvolle Erkenntnisse übersehen oder zu spät darauf reagieren. Dies kann nicht nur den Innovationsprozess verlangsamen, sondern auch die Teamdynamik negativ beeinflussen. Zweitens, Empathiedefizit: Es besteht die Gefahr, dass durch den Einsatz von KI die empathische Komponente im Design Thinking-Prozess in den Hintergrund gerät. KI-Modelle sind zwar unglaublich leistungsfähig, doch sie können menschliche Emotionen und Nuancen nicht in dem Maße erfassen, wie wir es tun. Wenn wir uns zu sehr auf die KI verlassen, riskieren wir, die menschliche Perspektive in Form von Einfühlungsvermögen und Intentionsgebung zu vernachlässigen.
Eine Schlüsselfrage lautet also, wie man mit KI-generiertem Output bestmöglich umgeht. Die eine perfekte Antwort gibt es glaube ich (noch) nicht. Was wir aber beispielsweise ausprobieren, ist der gezielte Einsatz von Techniken aus dem Improvisationstheater, Prototyping und Ethnografie, um den von KI generierten Output empathisch aufzuladen und besser in das menschliche Denken und Lernen zu integrieren.
Zuletzt muss natürlich noch ein weiterer, oft übersehener Aspekt angesprochen werden, nämlich die Nachhaltigkeit. Aktuelle KI-Modelle verbrauchen zumindest derzeit noch enorme Mengen an Energie. Allein aus diesem Grund müssen wir den Einsatz von KI sorgfältig überdenken und abwägen.
Du bist gerade dabei, für Anfang Dezember ein neues Workshop-Format zu entwickeln zum Thema „KI & Design Thinking“. Was können Teilnehmende hier erwarten, was nehmen sie mit?
Ja, ich freue mich sehr darauf! Der Workshop wird viele der angesprochenen Aspekte adressieren, wobei der Fokus stets auf dem Ausprobieren und Erleben sowie der Reflexion und dem Transfer liegt.
Der Workshop unterteilt sich in drei Teile. Im ersten Teil geht es um die Integration von KI in den Design-Thinking.Prozess: Hier erleben die Teilnehmenden den Design-Thinking-Prozess Hand in Hand mit ChatGPT als „kreativem Partner“. Diese interaktive Phase ermöglicht es den Teilnehmenden, die verschiedenen Anwendungsmöglichkeiten von KI im Design Thinking zu erkunden und vielfältige Inspirationen zu sammeln.
Der zweite Teil widmet sich dem Thema Optimierung der KI-Kommunikation. Hier konzentrieren wir uns auf das Prompt-Engineering und die effiziente Nutzung von ChatGPT im Kontext von Design Thinking. Wichtig ist hier die Maxime „Garbage in, garbage out“. Also, wie können wir unsere Eingabeaufforderungen so formulieren, dass wir relevante und wertvolle Antworten erhalten? Zusätzlich experimentieren wir mit erweiterten Funktionen wie „Advanced Data Analysis“ und ausgewählten Plugins.
Der dritte Teil widmet sich abschließend den Möglichkeiten der Nutzung von KI-Design-Tools. Insbesondere für Personen ohne klassische Design-Skills sollen hier verschiedene Optionen eruiert werden, digitale und visuelle Prototypen relativ schnell und in hoher Qualität zu generieren. Was hier bereits möglich ist, hat mich sehr beeindruckt und hilft mir persönlich auch sehr, insbesondere im Lösungsraum ein besserer Gestalter zu werden.
Ich bin sehr gespannt, ich glaube das Thema hat ungemein viel Potenzial. Wenn man alleine schaut, was sich in der KI-Welt im letzten Jahr getan hat. Jede Woche kommt eine Vielzahl neuer Tools auf den Markt. Es wird nun dringend Zeit, über den sinnvollen Einsatz dieser Tools nachzudenken!
Vielen Dank für das Interview, Samuel Tschepe!